Der Krisen-Resilienz-Test Eine Navigationshilfe für Führungskräfte im Krisen- und Restrukturierungsmodus

Der Krisen-Resiliens-Test

Eine Navigationshilfe für Führungskräfte im Krisen- und Restrukturierungsmodus

Georgiy Michailov ist Managing Partner der Struktur Management Partner GmbH, einer deutschlandweit führenden Restrukturierungsberatung. Er hat mehr als 17 Jahre Berufserfahrung im Turnaround- und Wachstums-Management in rund 70 Projekten. Das anspruchsvolle Stakeholder-Management sowie konsequentes Redesign von Geschäftsmodellen zählen zu seinen Kompetenzschwerpunkten. Kontakt: g.michailov(at)struktur-management-partner.com

Dr. Hans-Joachim Grabow ist nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften und Germanistik seit 1993 bei den Struktur Management Partnern und bringt Erfahrungen aus Konzeption und Management von Umbruchphasen in Krisen-, Turnaround- und Wachstumssituationen aus über 140 Projekten diverser Branchen ein. Er ist Mitautor des Fachbuchs „Turnaround-Management in der Praxis“ (Campus Verlag) sowie Autor diverser Publikationen zum Turnaround- und Change-Management. Kontakt: h.grabow(at)struktur-management-partner.com

Warum der Krisen-Resilienz-Test?

Seit März 2020 zwingt COVID-19 die meisten Führungskräfte nahezu aller Branchen dazu, in einen Krisen- beziehungsweise Turnaround-Modus umzuschalten. Auch Ende 2020 sind die komplexen Folge- und Nebenwirkungen für Volkswirtschaften, Unternehmen und Führungskräfte kaum absehbar. Klar ist aber bereits heute, dass an eine Rückkehr zu den Rahmenbedingungen der Vor-Corona-Zeit kaum zu denken ist. Führungskräfte müssen sich auf neue Realitäten einstellen – auf ein „New Normal“, das mit nachhaltigen Umsatzeinbrüchen, veränderten Kundenerwartungen, Remote-Arbeit und verstärkter Digitalisierung einhergeht.

Ging es in den ersten Monaten der COVID-19-Krise darum, das „Unerwartete“ durch Gesundheits-, Liquiditätsmanagement und Kommunikation zu bewältigen, stehen Führungskräfte nach dieser Survival-Phase nun parallel dazu vor der Aufgabe, ihr Geschäft auf die zu erwartenden neuen Realitäten anzupassen und zukunftsfähig auszurichten. Eine zentrale Aufgabe – im Sinne einer risikoorientierten Früherkennung und Vorsteuerung – besteht darin, die eingetretenen und zu erwartenden Bedrohungen und Risiken für das Geschäftsmodell aber auch die eigenen Stärken, Schwächen und Chancen zu kennen beziehungsweise rechtzeitig zu erkennen. Es ist allemal besser, den Realitäten proaktiv ins Auge zu schauen, als in ein paar Monaten vor einem Scherbenhaufen zu stehen.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns bei der Auswahl aus der schier unüberschaubaren Palette der strategischen Management-Tools für den Krisen-Resilienz-Test entschieden.

Aufbau und Auswertung des Tests

Der Krisen-Resilienz-Test (kurz KR-Test) soll Ihnen als Führungskraft helfen, die Krisenfestigkeit Ihres Unternehmens zu bestimmen. Er beruht auf einer Einschätzung zu jeweils sieben Statements, die den Status Ihrer Managementperformance auf der einen und der finanziellen Performance auf der anderen Achse erfassen. Aus der Zusammenführung der Ergebnisse ergibt sich dann Ihr Gesamtstatus in der Krisen-Resilienz-Matrix.

Dafür müssen Sie und Ihr Managementteam mithilfe eines einfachen Scoring-Modells einschätzen, wie sehr die insgesamt 14 Aussagen auf Ihr Unternehmen zutreffen. Nutzen Sie bei Bedarf die Hinweise zur Bewertung der einzelnen Statements.

Führungskräfte müssen sich auf neue Realitäten einstellen.

Ermitteln Sie anschließend den Scorewert Ihrer finanziellen und Management-Performance und tragen Sie ihn auf der Krisen-Resilienz-Matrix ein (siehe Abbildung 3). Er ergibt sich aus dem jeweiligen Durchschnitt. Aber Vorsicht: Berücksichtigen Sie in der Gesamtbewertung bitte, dass ein negativer Score-Wert eines einzelnen Kriteriums die gesamte Dimension beeinflussen kann. Je nachdem, an welchem Punkt in der Matrix Ihr Unternehmen steht, müssen Sie unterschiedliche Maßnahmen in Angriff nehmen (siehe Matrix-Felder).

Zum Nutzen in der Praxis: Ein Beispiel

Bei der Durchführung des KR-Tests mit unseren Kundinnen und Kunden hat es sich bewährt, in einem ersten Schritt die Perspektiven und Einschätzungen der einzelnen Teammitglieder zunächst unabhängig voneinander zu erfassen und die Ergebnisse anschließend gemeinsam zu diskutieren.

Für den Fall, dass Sie in beiden Dimensionen unbefriedigende Score-Werte erreichen, ist allerhöchste Aufmerksamkeit geboten. So ging es beispielsweise der „Haben-wir-noch- nie-so-gemacht-GmbH“. Es handelt sich hierbei um ein mittelständisches Unternehmen der Möbelindustrie, dass Ende 2019 eine Wachstumsstrategie für die Folgejahre verfolgte. Die Vorjahre zeigten vergleichsweise solide Zahlen. Schlüsselpositionen waren grundsätzlich durch gute Leute besetzt. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die Einbindung der Führungskräfte durch die beiden Geschäftsführer zu betriebswirtschaftlichen Fragen zu wünschen übrig ließ. Covid-19 veränderte natürlich auch für dieses Unternehmen die Perspektiven und Aktivitäten über Nacht: Der Lockdown in Industrie und Handel, aber auch Brüche in der Zulieferkette führten innerhalb weniger Wochen dazu, dass sich die Ergebnis- und Cash-Flow-Erwartungen für 2020 deutlich ins Minus drehten. Eine völlig neue Situation für die Handelnden: noch nie musste man mit Liquiditäts- Engpässen umgehen.

Der KR-Test zeigte schnell diese Risiken, aber auch die Defizite in der Steuerung auf. Abhilfe schaffte eine neue, abteilungsübergreifende Taskforce, inklusive der kaufmännischen Geschäftsführung, die täglich alle relevanten Möglichkeiten zur Liquiditätsschöpfung systematisch und auf Basis aller verfügbaren Daten als Team bearbeitete. Bereits nach einigen Wochen zeigte dieses neue und kooperative Miteinander eine deutliche Wirkung. Durch eine Vielzahl liquiditätsschöpfender Maßnahmen wurde nicht nur ein Großteil des Liquiditätsbedarfs gedeckt, viel wichtiger noch: Das transparente und gemeinsam verabschiedete Vorgehen ist zwischenzeitlich als neue Routine innerhalb der Führungskultur fest verankert. Die Verbesserung der Management-Performance war hier also die Voraussetzung dafür, die Financial Performance und letztlich die Krisen-Resilienz des Unternehmens deutlich zu verbessern.

Fazit

Das Beispiel zeigt: Der Krisen-Resilienz-Test ist eine sehr wirksame und einfache Methode, um Unternehmen auf ihre künftigen Herausforderungen vorzubereiten. Mitunter kann es entscheidend sein, den Status der eigenen operativen und strategischen Resilienz frühzeitig und nüchtern einzuschätzen, Handlungsnotwendigkeiten abzuleiten, um geeignete Maßnahmen zu entwickeln und wirksam umzusetzen. Und nicht nur das: Ein regelmäßiger, quantitativer und qualitativer Blick (zum Beispiel quartalsweise) auf Stärken und Schwächen schärft die Beurteilung von strategischen Chancen und Bedrohungen. Ein vergemeinschaftetes Verständnis der Krise und deren Folgewirkungen stärkt außerdem den notwendigen Rückhalt und das Vertrauen im Führungsteam, die richtigen Schritte in die Zukunft zu unternehmen.

Bestenfalls schlagen Führungskräfte sogar Kapital aus der Krise, indem sie die Resilienz Ihres Geschäfts- und Managementmodells in der Krise stärken und auf die turbulenten Zeiten nach der COVID-19-Krise vorbereiten.